Akhlaq – Ethik & Moral

Akhlaq – Die Frucht des Islam

Bei den Akhlaq handelt es sich um ein zentrales Thema der Botschaft des Islam.

Definition

„Akhlâq“ stammt ab von dem arabischen Verb „khalaqa“, d.h. schaffen, formen. Damit sind verbunden die Substantive „khâliq“ bzw. „khallaq“, d.h. Schöpfer, „khalq“, d.h. Schöpfung, Menschheit, körperliche Beschaffenheit, Geschöpflichkeit, und „khulq“, d.h. Charakter, Eigentümlichkeit. Das Wort „akhlâq“ ist der Plural von „khulq“ und bedeutet „die Lehre von den Eigenschaften der Geschöpfe“.“ (1)
Eine weitere Übersetzung lautet Natur (2) und mit diesen ganzen Bedeutungen rückt dieser Begriff sehr nah an den deutschen Begriff der Ethik, der von „ethos“ (Gewohnheit, Sitte, Charakter) abstammt.

Stellung und Wichtigkeit von Akhlaq

Warum ist er so wichtig, warum bekommt er hier einen eigenen Beitrag?
Weil unser Prophet Muhammad s. nur deshalb gesandt worden ist, um unsere Ethik zu verbessern!
Malik, Allahs Wohlgefallen auf ihm, berichtete, dass der Gesandte Allahs, Allahs Segen und Friede auf ihm, sagte: »Ich bin entsandt worden, um die Tugenden zu vervollkommnen.«“ (Ha). [SUN:690]
Der Zweck seiner Gesandtschaft also! Ist das möglich?
Der Prophet s. wurde doch gesandt als Barmherzigkeit und Rechtleitung, denn Allah t. sagt im Koran:
„Und Wir entsandten dich nur aus Barmherzigkeit für alle Welten.“[21:107]
Wie schaut eine Gesellschaft aus, in der es an der Tagesordnung ist, zu betrügen, zu lügen und nachlässig zu arbeiten?
Was ist mit Unternehmen, in denen Neid, Misstrauen und Hass herrscht?
Wie können Familien noch ein Hort der Geborgenheit sein, wenn jedes Mitglied ständig auf seinem Egoismus besteht und Streit ausbricht?
Ist das eine barmherzige Welt? Ist diese Gesellschaft lebenswert?
Das ist der Zusammenhang: Der gute Charakter und die gesunde Moral sind Grundbedingungen für die Barmherzigkeit und die Barmherzigkeit ist der Zweck und das Ziel!

Akhlaq vs. Säulen des Islam

Wenn Akhlaq so zentral ist, wie verhält er sich denn dann zu den Säulen des Islam? Wenn der Prophet s. gesandt wurde, um unsere Tugenden und Ethik zu verbessern, dann hieße das ja, dass unsere Ethik wichtiger als bspw. das Gebet wäre…?
Bevor wir so eine Schlussfolgerung ziehen, versuchen wir ein vertieftes ganzheitliches Verständnis zu erlangen.

Das Gebet 

Allah t. sagt: „…und verrichte das Gebet. Wahrlich, das Gebet hält von schändlichen und abscheulichen Dingen ab;…“ 29:45

Mit dieser Ayah stellt Allah eine Forderung auf: Unser Gebet hat eine Funktion, es soll unsere Moral, unsere Ethik und unseren Charakter verbessern. Ein Gebet, das uns in keinster Weise moralisch besser macht, hat seine Funktion eingebüßt und damit seinen Wert verloren. Dies bringt bspw. folgender heiliger Hadith zum Ausdruck:

Allah t. sagt:
Ich nehme das Gebet von denjenigen an, die sich in meiner Macht bescheidet, und die nicht damit (der Macht) den Geschöpfen Unrecht tun, und von denjenigen, die nicht auf dem Ungehorsam bestehen, und den Tag in meinem Bewusstsein verbracht haben, und die mit dem Armen barmherzig sind und sich dem Reisenden und der Witwe erbarmen und sich dem Geplagten erbarmen.

Das Fasten

Es ist ein essentielles Ziel des Fastens die Ethik (Akhlaq) des  Menschen zu verbessern!
Abu Huraira (r) berichtete, dass der Prophet, Allahs Segen und Friede auf ihm, sagte: „Fasten ist nicht der Verzicht auf Essen und Trinken, sondern der Verzicht auf das Geschwätz und die Beschimpfung anderer Menschen. Wenn also jemand dich beschimpft oder dir Übles tut, so sprich (zweimal): »Wahrlich, ich bin am Fasten, wahrlich, ich bin am Fasten!«“ (Hib, Huz). [SUN:439]

Die Zakat (Armensteuer)

Allah t. sagt:
Nimm Almosen von ihrem Besitz, auf dass du sie dadurch reinigen und läutern mögest. Und bete für sie; denn dein Gebet verschafft ihnen Beruhigung. Und Allah ist Allhörend, Allwissend.[9:103]

Also was ist diese Reinigung (arabisch: Tazkiya)?
Das harte Training zum guten Charakter!
Man lernt Großzügigkeit und Barmherzigkeit mit den Schwachen.
Man bekämpft seine allzu menschliche Liebe zu Besitz und Geld, jene Liebe, die schon viele Menschen zu sehr üblen Taten bewegte.

Einschub: Charakteralmosen

Selbst wer bspw. als junger Mensch noch nicht viel Geld hat, kann sog. „Charakteralmosen“ geben!  Was ist das?

Der Prophet s. sagt:
„Das Lächeln in das Gesicht deines Bruders ist eine Sadaqa!“

Ebenso das Gebieten des Guten, jemandem dem Weg zeigen und die Räumung der Straßen sind Sadaqa. Die beste Sadaqa jedoch ist ein Bissen, den der Ehemann in den Mund seiner Ehefrau steckt.
Hier sehen wir nun wieder ganz deutlich den Zusammenhang zur Barmherzigkeit.

Die Pilgerfahrt (Hadsch):

Allah t. sagt: 
Für den Hadsch sind bekannte Monate (vorgesehen). Wer sich in ihnen zum Hadsch entschlossen hat, der enthalte sich des Beischlafs und begehe weder Frevel noch unziemliche Rede während des Hadsch. Und was ihr an Gutem tut, Allah weiß es. Und sorgt für die Reise, doch wahrlich, die beste Vorsorge ist Gottesfurcht. Und fürchtet Mich, o ihr, die ihr einsichtig seid![2:197]

Die Hadsch ist eine harte Übung für unsere Ethik und unseren Charakter.
Drei Millionen Menschen sind auf einem Fleck, es geht natürlich vieles schief, aber man muss trotzdem die Ruhe bewahren.
Menschen mit verschiedenen Sprachen, Mentalitäten und Kulturen sind zusammen an einem Ort!
Alle müssen zur gleichen Zeit nach Mina, alle zur gleichen Zeit nach Muzdalifa.

Wenn du dort 20 Tage „trainiert“ hast, kannst du dann nicht Ruhe bewahren im Umgang mit deinen Eltern, Lehrern und Mitmenschen?

Zusammenfassung

Also, fassen wir noch einmal zusammen:
Sollten die fünf Säulen des Islam keine Spuren im Charakter und der Ethik eines Menschen hinterlassen, so ist deren Verrichtung wertlos!

Was ist der Wert eines Betenden, der arrogant ist? Er versteht nicht die Bedeutung der Niederwerfung! Also ist es keine Niederwerfung und Demütigung vor Allah, sondern nur eine Bewegung.

Der Prophet s. bekräftigt dies in folgendem Hadith:
„Es kamen Leute zum Propheten s.a.s. und sagten: Oh Gesandter Allahs eine Frau wird häufig erwähnt für ihr häufiges Gebet und ihr häufiges Fasten, aber sie fügt ihren Nachbarn Schlechtes zu; da sagte der Gesandte Allahs s.a.s. : Sie ist im Höllenfeuer“

Dann sagten sie: es gibt eine Frau, die häufig erwähnt wird, wegen ihren wenigen Gebeten und ihrem wenigen Fasten und ihrer wenigen Sadaqa, aber sie fügt ihren Nachbarn nichts Schlechtes zu, da sagte er : Sie ist in der Dschanna (Paradies)!

Die andere Seite der Medaille…

Versteht aus diesen Worten aber bitte nicht, dass es OK wäre die Pflichten des Islams zu vernachlässigen, solange ich ein „moralischer“ Mensch bin.
Denn die andere Seite der Medaille lautet, dass nur diese Gottesdienste (5 Säulen) dich ein moralischer Mensch bleiben lassen.

Dein Herz wird täglich von den meisten äußeren Reizen dazu gebracht zu korrumpieren, man stachelt deine Lust an, stachelt deine Wünsche nach Essen, Trinken, Anerkennung und Besitz an, schlägt dir neue Bedürfnisse vor…

Deine Moral und deine Ethik wird dir oftmals bei der Erfüllung deiner Bedürfnisse und Wünsche im Weg stehen. Du wirst Widerstand leisten, aber letztendlich höhlen deine Triebe deine Ideale aus und in einem Moment der Schwäche brechen deine moralischen Dämme. Die Säulen des Islams und dein Glaube an Gott und Jüngsten Tag festigen diese Dämme wieder und füllen, was ausgehöhlt wurde.

Denn so wie deine Triebe dir ständig im Bewusstsein sind, muss auch der Glaube an Gott und den jüngsten Tag ständig in deinem Bewusstsein sein. Um dieses hohe Ziel zu erreichen, ist das Gebet der erste und wichtigste Schritt.

Außerdem sagt der Koran:
Wehe denjenigen Betenden,[107:4] die (bei der Verrichtung) ihres Gebets nachlässig sind,[107:5] die (nur dabei) gesehen werden wollen,[107:6]

Allah droht den nachlässigen, gedankenlosen Verrichtern des Gebets, die das Gebet nicht verrichten um sich zu reinigen…
Der letzte Vers dieser Sure besagt: und die, die Hilfeleistung verweigern.[107:7]
D.h. Gott sagt, dass jemand, der nicht richtig betet, eine mangelhafte Ethik an den Tag legt.

Also vereinfacht gesagt: Jemand, der die Pflichten der Ibadat nicht vollständig und bewusst verrichtet, dessen Akhlaq ist ebenfalls mangelhaft und für diesen Mangel wird er am Tage der Auferstehung zur Rechenschaft gezogen.

Zwischenfrage…

Hier muss eine Zwischenfrage erlaubt sein:
Jeder von uns kennt auch nichtreligiöse und nichtmuslimische Menschen von vortrefflichem Charakter. Menschen, die hilfsbereit, freundlich und geduldig sind.  

Hier muss man beachten:
Alle Menschen sind mehr oder weniger zu strategischem, sozial-verträglichem Verhalten in der Lage, um gewisse Ziele zu erreichen. Dies ist auch per se nicht verwerflich, sondern eine Barmherzigkeit Gottes, damit die Güte auf dieser Welt nicht nur von der Güte der Menschen abhängt. Beispiele dafür sind jähzornige Männer und Frauen, die sich verlieben: Während der Bindungsphase sind diese gegenüber ihrem neuen Partner sehr sanftmütig.

Mitarbeiter, die gerne Karriere machen möchten, fallen durch eine hohe Hilfsbereitschaft und Kontaktbereitschaft auf. Je nach emotionaler Intelligenz und Gespür sind einige Menschen fähig, die Erwartungen und Bedürfnisse anderer Menschen zu erfühlen und die Erfüllung derselben mit ihren eigenen Wünschen zu kombinieren.

Die meisten unserer Taten und Unterlassungen sind aus strategischem Kalkül motiviert, doch von Zeit zu Zeit hat jeder Mensch die Möglichkeit entweder etwas Böses zu tun ohne Konsequenzen fürchten zu müssen (Strafe, soziale Ächtung) oder etwas Gutes zu tun ohne dafür aber eine Belohnung oder einen Vorteil erwarten zu können.

Und genau hier muss das religiöse Moment wirken: Hier muss der Muslim handeln, wo andere zögern, er muss dem Bösen Widerstand leisten, wo andere wegschauen bzw. sich diesem hingeben. Dies ist aber nur möglich, wenn man über ein Mindestmaß an Spiritualität verfügt, welches wiederum durch die Verrichtung der Ibadat garantiert wird.

Glaube, Praxis und Ethik sind eins…

Auf was wollen wir also hinaus? In Wirklichkeit hängen Glaube, Ibadat und Akhlaq zusammen und sind nur verschiedene Seiten eines Ganzen. Sie gehören untrennbar zusammen. Jeder Muslim muss ein Mindestmaß aller Bereiche abdecken. Ein Mangel im Glauben führt zu einer mangelhaften Ethik, ein Mangel in der Verrichtung der Gottesdienste führt zu einem Mangel in der Spiritualität (und auch Glauben) und damit ebenfalls zu einer mangelhaften Ethik. Umgekehrt gilt sicher auch, dass eine dauerhafte, gesunde Ethik auch zu einem gesunden Glauben, Spiritualität und Ibada führt.

Alles ist in Wirklichkeit eins, nur wir Menschen benutzen unterschiedliche Ausdrücke, um uns diesem Ganzen von unterschiedlichen Seiten zu nähern.

Der Koran bestärkt das Ganze, indem ethische Werte und Eigenschaften des Glaubens und der Anbetung immer wieder verschränkt werden:
Beispielsweise in Sure Al Muminun:
Wahrlich, erfolgreich sind die Gläubigen,[23:1] die in ihren Gebeten voller Demut sind,[23:2]  => Dies ist eine Eigenschaft in der Ibada
und die sich von allem leeren Gerede fernhalten,[23:3] 
=> Charaktereigenschaft
und die, die Zakah entrichten[23:4]
=> Ibadaeigenschaft
und ihre Schamteile bewahren;[23:5]  
=> Akhlaq

Und diejenigen, die das ihnen anvertraute Gut und ihre Verpflichtung hüten,[23:8] 
=> Akhlaq
und die ihre Gebete einhalten-[23:9] 
=>Ibada
Akhlaq, Ibada, Akhlaq, Ibada => wer das macht, ist ein Gläubiger und diese sind erfolgreich!

Quellenangaben

Koranzitate nach:
Rassoul, Die ungefähre Bedeutung des Quran, 8. Auflage, Islamische Bibliothek: Köln, 1996 

Hadithe mit dem Hinweis [SUN] nach:
Rassoul, Sunna, 1. Auflage, Islamische Bibliothek: Köln, 1995Hadithe mit dem Hinweis [BU] nach:Rassoul, Buchari, 2. Auflage, Islamische Bibliothek: Köln, 1995

 Muhammad Al-Ghazali, Muslim Character, Kazi Publications, 2004

 An-Nawawi, Riyad-us-Salihin, Band 1, Dar-us-Salam, 1996

 Behr, Charakterbildung im Islam, 2. Auflage, Dar-us-Salam, 2000

1Behr,  H., Charakterbildung im Islam, 2. Auflage, Dar-us-Salam, 2000, Seite  2

2o.V.,  www.lessan.org, aus dem Internet:  http://www.lessan.org/de/%D8%AE%D9%84%D9%82 , Zugriff am 4. März  2012

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