„Schlagen der Frau“ – Stellungnahme zu den Presseberichten

Das Islamische Zentrum München möchte folgendes klarstellen:

Weder auf unserer Website, noch in unseren Unterrichten wurde jemals das Schlagen der Frau empfohlen oder gar gutgeheißen.

Es handelt sich hier um einen verzerrenden Kampagnenjounalismus, der islamophobe Narrative und Klischees bedienen und bestätigen soll. Die deutschen Medien dürfen sich nicht wundern, dass sie durch diese unethische und unsaubere journalistische Arbeit viel Vertrauen in der Bevölkerung verspielt haben und nun nur noch dieselbe Vertrauenswürdigkeit wie andere Aktivistenportale haben.
In diesem Zusammenhang ringt uns die Kritik der deutschen Medien am YouTuber Rezo nur ein bitteres Lächeln ab, haben sich doch alle großen Medienhäuser beim Thema Islam demselben Vergehen schuldig gemacht.

Im Folgenden möchten wir schildern:

  • Auf welche Textstellen bezogen sich die Artikel?
  • Welche Recherche wurde von Seiten des Journalisten betrieben?
  • Welche Fehler und Inkompetenzen von unserer Seite gemacht wurden
  • Warum wurden diese Fehler gemacht?
  • Warum werden diese Fehler weiterhin anhalten bzw. warum es gewollt ist
  • Die Position des IZM zum Thema „Schlagen der Frau“ (eigener Artikel)

Auf welche Textstellen bezogen sich die Artikel?

Um Informationen über den Islam aus erster Hand anzubieten, luden wir nach Genehmigung des Verlags das Heft „25 Fragen zur Frau im Islam“ hoch. Dort werden in sehr kurzer und prägnanter Form die häufigsten Fragen zu diesem Thema an die Muslime in Deutschland behandelt.

Eine dieser häufigen Fragen ist natürlich auch die Frage nach dem Koranvers, der das Schlagen der Frau erwähnt. In diesem Zusammenhang stand dort:

10.  Darf ein muslimischer Mann seine Frau schlagen?  

Dies ist ein mit Vorurteilen belastetes Thema, das sehr schwierig zu erklären ist. Die entsprechende Koranstelle hierzu lautet: „Und jene (Frauen), deren Widerspenstigkeit ihr befürchtet: ermahnt sie, meidet sie im Ehebett und schlagt sie! Wenn sie euch dann gehorchen, so sucht gegen sie keine Ausrede.“ (4:34). Eine erste Erklärung kann der Offenbarungsgrund für diesen Vers sein: Eine Frau kam zum Propheten Muhammad (s) und bat ihn um Erlaubnis ihren Ehemann zurückschlagen zu dürfen, weil dieser sie geschlagen hatte. Der Prophet erlaubte es ihr als Vergeltungsmaßnahme. Nach diesem Ereignis wurde der obige Koranvers herabgesandt, worauf der Prophet (s) gesagt hat: „Ich wollte das eine, aber Gott wollte das andere – was Gott will, muss das Beste sein“.
Hinter dieser Entscheidung Gottes mag eine Weisheit stecken, die zunächst selbst der Propheten Muhammad (s) nicht erkannt hatte. Der Koranvers macht deutlich, dass im Falle einer in größeren Schwierigkeiten steckenden Ehe der Ehemann diese drei Schritten auf jeden Fall einhalten muss: Ermahnung, Trennung im Ehebett und Schlagen. Damit ist vor allem das Schlagen im Affekt verboten, was wohl in fast allen Fällen vorkommt. Zudem hat das Schlagen, wie es der Koran beschreibt, nach den Gelehrten eher einen symbolischen Charakter. Der Prophet Muhammad (s) drückte in Bezug auf das Schlagen der Frau sehr deutlich sein Missfallen aus: „Ist es für einen von euch wirklich möglich, seine Frau zu schlagen, als wäre sie eine Magd, und dann am Abend zu ihr zu gehen?“ Er selbst hat auch nie eine Frau geschlagen.
Die muslimische Frau hat andere Möglichkeiten, in Konfliktsituationen gegen ihren Mann vorzugehen. Dazu kann sie andere Familienmitglieder einschalten.

25 Fragen zur Frau im Islam, Cordoba Verlag Karlsruhe

Nun wollen wir nicht bestreiten, dass dieser Text den Koranvers unzureichend erläutert. Man kann diesem Text auch vorwerfen, dass dieser weder eine Einordnung in den Kontext der Offenbarungszeit, noch in den heutigen Kontext vornimmt.
Man kann aber aus diesem Text keine Gutheißung oder gar Empfehlung zum Schlagen der Frau herauslesen.

Welche Recherche wurde von Seiten des Journalisten betrieben?

Im Februar 2019 richtete der Journalist eine schriftliche Anfrage bzgl. dieser Textstelle an das IZM.

Da die Website 2003 eingerichtet wurde, konnte sich niemand mehr an diesen Text erinnern. Selbst für den Autor dieser Zeilen war dieser Text eine Überraschung und das, obwohl er selbst mehrmals im Monat die Website wegen der Gebetszeiten besucht.

Während um die 2000er Jahre herum dieser Text als einer der einzigen Texte von Muslimen auf Deutsch verfügbar war, befremdete er mittlerweile selbst die Mitarbeiter und Aktiven des IZM.

Nach allem was zu diesem Thema geschrieben wurde, fragten wir uns, warum wir diesen Teil nie aktualisiert haben und wir mussten uns schlussendlich eingestehen, dass niemand von uns diese Texte jemals vollständig durchgelesen hatte (Das Warum folgt später).

Wir antworteten also dem Journalisten, dass dieser Text nicht unseren Überzeugungen entspricht und dass wir ihn überarbeiten werden.

Welche Fehler und Inkompetenzen von unserer Seite gemacht wurden

Im Rahmen des genauen Blicks fragten wir uns, wie das passieren konnte: Die Website war von 2004. Nicht nur Texte mussten aktualisiert werden, die gesamte Website brauchte eine Neuaufsetzung und Anpassung an die heutigen Technologien.

Dies überforderte unsere personellen Ressourcen deutlich. Also beschränkten wir uns darauf erstmal alle missverständlichen, verkürzten, unzureichenden oder veralteten Texte zu löschen.

Zeitgleich begannen wir mit dem Prozess eine vollständig neue Website aufzusetzen. Da wir aber keine finanziellen Ressourcen dafür frei hatten (und haben) lief dies immer nur Nebenbei und stockend ab. Es sollte über ein Jahr bis zur Neuveröffentlichung dauern.

Die alte Website wurde unterdessen weiter per veralteter FTP Technologie „gepflegt“, d.h. eigentlich nur Termine und wichtige Hinweise aktualisiert.
Über die Jahre lagen die Dateien nicht nur auf dem Computer der Moschee, sondern auch auf dem Privatlaptops des Vorstands, um die Website auch von zu Hause aus aktualisieren zu können.
Was aber nun vergessen wurde, war die korrigierte Version des Moscheecomputers auch auf den Privatlaptop zu übertragen. Da seit vielen Jahren keine größeren Veränderungen mehr an der Website vorgenommen wurden, wurde die Website eigentlich nur noch vom Laptop aus aktualisiert und so vergaß man den Abgleich zwischen beiden Computern.
Und so kam es wie es kommen musste: Bei der nächsten Terminaktualisierung vom Privatlaptop aus wurde die alte Version der Website wieder hergestellt.

Als der Journalist dann wieder unsere Website besuchte und trotz unserer Stellungnahme die Passagen zu löschen und zu überarbeiten immer noch sah, dass der Text online auf der Website abrufbar war, sah das natürlich nicht gut aus.

Wir möchten betonen und feststellen, dass unsere Inkompetenz und völlig unzureichende personelle Ausstattung dazu führten, dass diese Texte wieder auf der Website auftauchten und nicht unsere Überzeugungen.

Der Grund für diese Fehler und warum sie auch weiterhin passieren werden

Das islamische Zentrum ist eines der bedeutendsten Institutionen des deutschsprachigen Islam. Es gehört der reformorientierten Strömung des Islam an und brachte und bringt aus dieser Denkschule heraus wichtige und wegweisende Impulse zur Entwicklung eines „deutschen Islams“.

Es wurde durch Spenden aus dem Ausland und Inland finanziert, wobei die Spenden aus dem Ausland bedeutend höher waren, da es zur Zeit der Gründung Mitte der 60er Jahre nur wenige Muslime gab und diese auch nicht vermögend waren.

In seiner finanziell am besten ausgestatteten Zeit in den 80er Jahren verfügte die Moschee alleine über 5 Mitarbeiter in Vollzeitanstellung, dazu noch Mitarbeiter in Teilzeitanstellung und zahlreiche ehrenamtliche Mitarbeiter.

Dies war möglich durch den plötzlichen Reichtum der Golfstaaten und deren großen Spendenaufkommen. Dies sank in den 90er Jahren erheblich, wurde aber durch ehrenamtliche Arbeit aufgefangen.

Mit dem 11. September 2001 traten große Veränderungen auf:
Autoritäre Regime sahen ihre Chance die islamisch orientierten Oppositionsbewegungen in ihren Ländern entscheidend zu schwächen, indem man ihnen eine Nähe zum Terrorismus und radikalen Islam unterstellt. Westliche Staaten folgten dieser Bewertung allzu oft unkritisch (bis heute, wie man an Ägypten sieht). Die reformorientierte Strömung des Islam ist mit vielen oppositionellen Bewegungen in diesen Ländern verknüpft. Neben viel Gewalt und Unterdrückung in diesen Ländern (die den Boden für den arabischen Frühling vorbereiteten) hieß das für das islamische Zentrum den Verlust von nahezu allen ausländischen Spenden.
Dies wurde durch eine verstärkte ehrenamtliche Arbeit und der damit neu gewachsenen Strukturen wieder aufgewogen.
So gab es ab den 2000ern eine Selbstorganisation der Moscheebesucher im Verein mit jährlich wechselnden Vorständen und lebhaften Arbeitsgruppen, wie bspw. Tag der offenen Tür, oder auch Website und sogar Informatikunterricht.

Das alles hörte schlagartig 2004 auf, als uns das KVR informierte, dass alle Mitglieder dieses Betreibervereins des IZM als verfassungsfeindlich eingestuft würden und dies sich folgend fatal auf den Aufenthalt, die Einbürgerung oder die Verbeamtung auswirken wird.

Es kam zu einer großen Austrittswelle und heute hat der Betreiberverein nur noch 3 Mitglieder.

Viele Aktivitäten wurden eingestellt als es richtig ernst wurde und der Verfassungsschutz begann, Moscheebesucher zu „informellen Gesprächen“ einzuladen, in denen ihnen unter Verweigerung eines anwaltlichen Beistandes mit Nachteilen und dem Verlust des Aufenthaltes gedroht wurde.
Auch vor Minderjährigen machte der Verfassungsschutz keinen Halt. Dies war ein großer Schock für die Moscheegemeinde und eine andauernde Belastung.

Unsere Moschee wurde gemieden, aber nach einem Jahr stellte sich heraus, dass es auch keine Alternative zur größten Moschee in München gibt.

Mittlerweile sind unsere Besucherzahlen wieder auf normalem Niveau, aber man muss schon risikofreudig sein, um in unserer Moschee Aktivitäten anzubieten.

Es gibt heute nur noch eine Vollzeitkraft (der arabischsprachige Imam) und eine Handvoll ehrenamtlicher Helfer.

Auf diese Art und Weise können wir unserer gesellschaftlichen Verantwortung nicht gerecht werden und unsere Aufgaben nur ungenügend erfüllen.

Dies ist auch der Grund warum die Website seit 2004 niemals wieder umfassend aktualisiert wurde.

Wir sind im Überlebensmodus.
Und dies obwohl es einen großen Bedarf an Seelsorge, Familienfürsorge und neuer Ausgestaltung an islamischer Ethik im 21. Jahrhundert und im deutschen Kontext gibt.

Die Position des IZM zu den Koranversen die das Schlagen thematisieren

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