Die Position des IZM zum „Schlagen der Frau“

Nun zum Thema das „Schlagen der Frau“! Wie sehen wir das denn als IZM heute? Haben wir uns in den letzten 20 Jahren theologisch damit auseinandergesetzt oder beugen wir uns nur dem Druck der Moderne?

Tatsächlich finden wir im Koran Sure 4 Vers 34 das arabische Wort „fadribuhum“ was sich nach natürlichem Sprachverständnis als „…schlagt Sie…“ verstehen lässt.
Mit diesem Vers gibt es nun verschiedene Wege mit diesem umzugehen, so tauchen manche semantisch in dieses Wort ein und bemerken, dass eine Bedeutung von „fadribuhum“ „…trennt euch von Ihnen…“ heißen kann und entscheiden sich dieser Bedeutung zu folgen und alle anderen fallen zu lassen. Ein anderer Weg ist, diesen Vers in seinen historischen Kontext einzuordnen und den Weg und die Richtung dieses Verses herauszufinden (der für damalige Verhältnisse eine Revolution war) und diesen Weg als Intention des Korans zu verstehen und diesen darüber hinaus weiter zu gehen, was dazu führt, dass man der modernen Gleichberechtigung folgen kann, auch wenn im Koran dazu anderes steht (bspw. im Erbrecht).

Das sind nur zwei repräsentativ ausgewählte Wege theologisch mit diesem Vers umzugehen, aber es gibt, je nach Strömung des Islam, noch mehr:

  • In der sufitischen Strömung neigt man eher dazu, die tiefe verborgene Dimension hinter den Koranversen zu suchen. Dies geht nur durch eine tiefe meditative Reflexion der Verse mit dem Verstand und dem eigenen Herzen, welches aber darauf ausgerichtet sein muss Gott in all seinen Namen (der Barmherzige, der Allerbarmer, der Gerechte, die Wahrheit, das Licht usw.) zu suchen und sich ihm anzunähern
  • In der rationalistischen Strömung (früher sehr stark und führte im Mittelalter zur Formulierung des Neuplatonismus) interpretiert man die Verse unter Zuhilfenahme der aktuell anerkannten philosophischen Deutungsmuster
  • In der traditionalistischen Strömung bezieht man sich überwiegend auf die früheren Autoritäten der jeweiligen Rechtsschule
  • Die literalistische Strömung, die sich eher am Wortlaut der Offenbarungstexte orientiert
  • Nicht zu vergessen die reformorientierte Strömung (in dieser Tradition steht das Islamische Zentrum München), die versucht die Substanz der koranischen Botschaft und den Geist der Altvorderen wieder zu beleben, um eine neue, die bestmögliche Form der ewigen koranischen Botschaft für die aktuelle Zeit und den aktuellen Ort auszugestalten

In der Praxis sind diese Strömungen nicht scharf voneinander getrennt und es gibt kaum einen Gelehrten, der nur in einer dieser Strömungen beheimatet ist.

Unsere Position als Islamisches Zentrum München ist, dass all diese Strömungen ein anerkannter Teil des Islam sind und mit unterschiedlichen Schwerpunkten wichtige Lehren und Weisheiten der Offenbarung erhalten und im Bewusstsein der Muslime halten. Allerdings gibt es auch bei all diesen Strömungen Ränder und Extremmeinungen, Dogmatismus und ideologische Verquickungen mit Macht und Politik, die klar als unislamisch und konträr zur göttlichen Offenbarung zu identifizieren und zumindest zu isolieren, manchmal auch zu bekämpfen sind.

All die oben genannten Faktoren machen die Deutung des Verses „zum Schlagen der Frau“ theologisch sehr vielfältig und dadurch komplex, die eine gewisse Ausbildung erfordert, um in diesem Themengebiet mitreden zu können.

Der Prophet, Friede sei mit Ihm, lehrt uns aber, dass Religion für den einfachen Muslim nicht komplex sein soll: Dadurch soll unter anderem verhindert werden, dass im Namen einer religiösen Autorität Verwässerung und Missbrauch Tür und Tor geöffnet werden.

Um die Komplexität herauszunehmen gab er den Muslimen immer wieder den Rat beim Thema Gut und Böse ihr eigenes Herz zu befragen und dem „gesunden Menschenverstand“ (auf Arabisch: Fitrah) zu vertrauen. Dies wird auch in vielen Versen des Koran erläutert und bestätigt.

Aus diesem Grund bekennt sich das Islamische Zentrum München zu folgendem Vorgehen:

Ähnlich der heutigen Ingenieursforschung kann man die theologische Forschung als „Black Box“ behandeln und unabhängig von Deutung und Denkschule folgende Methodik in ethischen Fragestellungen anwenden:

  • Den Muslimen wird oft vorgeworfen, dass sie nur den Offenbarungsquellen unter Ausschluss Ihres Verstandes folgen würden, das ist jedoch nicht korrekt:
    Der Mainstream glaubt, dass die Schöpfung ebenfalls eine Offenbarung ist, ebenso wie die „Fitrah“, oft mit „natürlicher Veranlagung“ übersetzt, jedoch in der Bedeutung eher besser frei nach Kant mit „… das moralische Gesetz in mir…“ zu übertragen.
  • In unserer Historie ist es ein großer Streitpunkt gewesen, wie man den „Verstand“, der die Offenbarung der Schöpfung „liest“ ins Verhältnis zur koranischen Offenbarung setzt, jedoch kristallisiert sich heute mit der wissenschaftlichen Methode und deren (harten) Erkenntnissen zumindest die Gleichrangigkeit heraus, was ethische Fragestellungen betrifft.
  • Die „natürliche Veranlagung“, das moralische oder sittliche Gesetz in uns, dessen Sitz nach muslimischem Glauben das Herz ist, gilt ebenfalls als Offenbarung. Die große islamische Strömung des Sufismus widmet sich der Pflege, Ausbildung und Schärfung dieses gemäß vielen Gelehrten höchsten Erkenntnisinstruments des Menschen.

Alle drei „Offenbarungen“ (Überlieferte Texte; naturwissenschaftliche Erkenntnisse der Schöpfung; Fitrah, das moralische Gesetz in uns) verhalten sich mindestens komplementär zueinander, die Beziehung zwischen diesen ist Gegenstand lebhafter Diskussion und wird wahrscheinlich niemals restlos aufgeklärt werden.

Wenden wir dies nun auf das Thema „Schlagen der Frau“ an:

Selbst wenn der Koran nach einigen Lesarten die Erlaubnis zum Schlagen der Frau geben sollte, so lehnt es doch das moralische Gesetz im Herzen der allermeisten Menschen ab und verbietet es, und schlussendlich beendet spätestens die pädagogisch wissenschaftliche Forschung diese Diskussion, wenn sie uns die physischen, emotionalen und psychologischen Folgen der Gewaltanwendung zeigt.

Damit wird diese Richtlinie des Korans abgelegt, bzw. sehr viel enger gezogen und es gilt damit auch bei Muslimen als ethisch falsch eine Frau zu schlagen und bei entsprechender Gesetzeslage als kriminell. Genauso verfahren wir übrigens auch mit den Versen, die Sklaverei und ähnliches thematisieren.

Man kann nun fragen, warum hat Gott dies in seine Offenbarung hineingeschrieben und darauf gibt es unterschiedliche (spekulative) Antworten, auf die wir an anderer Stelle eingehen können. Aber Gott hat nach unserem Verständnis im Koran durch entsprechende Verse dafür gesorgt, dass wir die Natur und Umwelt sowie das moralische Gesetz in unserem Herzen als Offenbarung anerkennen und damit eine rationale, nachvollziehbare Methode zur Weiterentwicklung der muslimischen Ethik an der Hand haben und die Beliebigkeit, verursacht durch Lust und Laune sowie politischen Wetterverhältnissen, einzudämmen.

Diese ausführliche Positionierung soll der muslimischen und nichtmuslimischen Öffentlichkeit zeigen, dass wir uns einer aufrichtigen Aufarbeitung unserer Quellen und Ausarbeitung einer zeitgemäßen islamischen Ethik verpflichtet sehen.

Schlussendlich können wir nach den obigen Ausführungen mit erhobenem Haupt sagen:
Das IZM verurteilt das Schlagen der Frau und sieht es als ethisch und moralisch falsch an und lehnt es ab.

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